Achillessehnsucht

Kryptonit Superman

Als der unbesiegbare Sigfried im Nibelungenlied durch einen Schwertstich in seine einzig verwundbare Stelle beseitigt wurde, sind wir alle bei der Schullektüre über dem Buch aufgewacht und fanden die Geschichte plötzlich nicht mehr ganz so langweilig.

Zuvor hatte Sigfried tapfer Drachen besiegt, Frauen gekriegt und keine Angst vor Nichts gehabt. Fad. Und plötzlich sein „wunder Punkt“. Warum mögen wir Sigfried erst dann?

Weil man irgendwo eine Schwachstelle haben muss, damit einen etwas ins „Herz“ treffen kann. Dass bei Sigfried dieses „etwas“ unbedingt ein „Schwert“ sein musste, ist natürlich tragisch, aber eigentlich nur eine riesige Metapher. Wir mögen Narben, kleine menschliche Abweichungen. Wir mögen, wenn wir wissen, dass unser ganz persönlicher Held ein bisschen schielt, einen fragwürdigen Musikgeschmack hat, nicht pfeifen oder kochen kann.

Ein Held braucht immer einen solchen windigen, weichen Punkt, sonst können wir uns nicht verlieben und er wird auf einmal Tom Cruise. Superman hat sein Kryptonit, Green Lantern die Farbe Gelb, Spiderman hat Mary Jane, Daredevil ist blind und Batman hat Angst vor Fledermäusen. Gerade bei Batman ist das abgefahren, verkleidet er sich doch nicht nur im Fasching als Fledermaus. Aber wie mir der Fantasy-begeisterte Teil der Redaktion mitteilte, ist das eben genau der Witz daran. Punktum, jeder gute Held hat eine Achillessehne. Schuld daran ist der beinahe unverwundbare Halbgott Achilles aus der griechischen Mythologie und der Hauptdarsteller aus Illias von Homer (nicht Simpson). Seine Mama hat ihn nämlich in den Fluss Styx getaucht um ihn unverwundbar zu machen, aber wie das mit dem Dümpfeln so ist- irgendwo muss man den anderen festhalten. So auch Achilles´ ehrgeizige Mama, und machte seine Ferse somit verwundbar. Scheiße. Natürlich wurde er von einem Pfeil genau an jener Stelle getötet. Und wir finden es toll (und schlimm). Und warum? Weil wir selber gerne das Kryptonit wären, für jemanden.

Das hat unsere Sprache natürlich auch gleich erkannt und beschreibt alles, das mit Herz zu tun hat, durch kaputte Sätze. Wir haben eine „Schwäche“ für jemanden“, wir „brechen Herzen“, wir haben „wunde Punkte“…alles Dinge die irgendwo wehtun (müssen). Denn jemand, der unverletzbar ist, bleibt auch in Liebessachen unverletzbar, und wie es der bescheuerte Teufel so will, gilt Liebe nur dann, wenn man verletzt werden kann. Leider gut so- weil sonst langweilig. Man will doch Angst haben. Gute Angst.

Das mit der Ferse hat unsere Sprache auch gleich „begriffen“ und deshalb heißt es auch, dass uns etwas „berührt“. Wenn dich jemand wo berührt, ist eben genau dort kein Styx Wasser hingekommen und man wird verwundbar. Weil wir aber, wenn uns jemand „berührt“, das nicht unbedingt in der Ferse spüren sondern im berühmten Herzen, kann es schon passieren, dass es dort manchmal zieht. Vielen Dank an Achilles Mutter, an dieser Stelle. Also Hand aufs Herz (von anderen). Aber vorsichtig. Man kann doch so viel kaputt machen. Wie sagt Onkel Ben zu Peter Parker in Spiderman? „Mit großer Kraft kommt große Verantwortung“. Weise, weise. Aber wir wissen das eh alles. Wir sagen dann immer so gerne auswendig Gelerntes wie, dass der Stärkste unter den Schwachen jener ist, der seine Schwächen nicht vergisst und wer auch immer das als erstes altklug in die Liebeskummer-Runde geschmissen hat, ist eh im Recht. Eben, Liebe tut weh. In jeder Beziehung, weil sie muss. Und es ist gut so. Ui, diese Kolumne ist vielleicht was tristes, das tut mir leid, deshalb am Ende noch etwas aus dem sprichwörtlichen heiteren Himmel:

„I’m not normally a praying man, but if you’re up there, please save me, Superman!“- Homer (jetzt schon Simpson).

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