Lass uns Freunde werden

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Flo und ich haben uns getrennt. So viel steht fest. Ganze drei Jahre fühlten wir uns in unserer Beziehung wohl – jetzt nicht mehr. Flo steht im Türrahmen und fragt, ob wir Freunde bleiben können. Ich weiß nicht was ich sagen soll.

Leergeräumt stehe ich vor der Eingangstür und schaue Flo hinterher, der einfach weggeht, als wäre nie was gewesen. Es regnet. Die Tropfen waschen meine letzten Handabdrücke von seinem Gesicht und vermengen sich mit dem Straßendreck zu einem Rinnsal, der in den Gulli abfließt. Wieder als wäre nie was gewesen. Ich will auch in den Gulli fließen. Was sind wir jetzt, da unsere Beziehung weggespült wurde? Was bleibt, wenn die Liebe geht?

Ich weiß nicht, ob wir Freunde bleiben können. Wir waren es ja nie. Warum fragt er mich so etwas überhaupt? Flo und ich liebten uns schon immer, zumindest bis wir uns auseinanderliebten und in letzter Konsequenz mit leichtem Herzen vor meiner Eingangstür standen, um betreten unser Gewicht von einem Bein auf das andere zu verlagern. Freunde bleiben. Pf. Freunde habe ich genug.

Das mit dem Freunde- bleiben ist so eine Sache. Eigentlich will das eh niemand. Im Trennungshandbuch steht unter „Kapitel 1: Wunden lecken“ nämlich, dass man nicht mehr in die Freundschaft zurück verkriechen kann, wenn man mal miteinander schon an der Ewigkeit gekratzt hat. Irgendwo stimmt das sicher. Flo und ich sind einfach zu „weit“ gegangen. Wie soll man denn auf einmal eine gesunde Distanzwand bauen, wenn sich ja eigentlich nichts geändert hat, außer dass man einander zuflüsterte, dass es „nimmer passt“.

Aber ja, es kommt ja wahrscheinlich wie immer darauf an, warum man sich getrennt hat. Flo meint, wir könnten das schaffen, weil wir einfach wissen, dass wir gute Partner aber noch bessere Freunde ausmachen. Er will einfach nur den Sex von uns wegdividieren. Ja sicher, Flo ist definitiv mein Lieblingsmensch. Auch ohne Sex. Ich weiß aber trotzdem nicht, ob ich es lassen kann, ihm durch seine lieben Haare zu fahren, wenn er in einem Kaffeehaus vor mir sitzt und auf einmal jemand anderen gehört. Wie verabschiede ich mich dann? Wohin mit dem Abschiedskuss? Irgendwo passt er nirgends mehr.

Manchmal fällt es leichter mit der ganzen Trennungssache, wenn man wenigstens auf den anderen arschsauer ist, weil er dich betrogen und/oder belogen hat. Oder weil er dich einfach nicht haben will, also gar nicht, und nicht nur so halb. Je hässlicher die Fratze der Trennung, desto unwahrscheinlicher die Freundschaft, sagt man.

Es gibt nichts Langweiligeres und Lauwärmeres als Trennungen „im Guten“ und ohne Gewitter. Irgendwann knallt es ja meist dann doch. Einer von beiden sagt, er müsse sich jetzt selbst finden, findet dabei aber heimlich wen anderen auf dem Weg. Oder er sagt, er wisse eben gerade nicht wer er sei, während wir anderen uns nur denken, dass wir es schon wissen, ein Arsch nämlich. Egal wie, dann zack, Gewitter: Trennung. Dann lange Regen. Und jetzt?

Wie beendet man verdammt nochmal die Liebe, ohne sie kaputt zu machen? Vorgestern noch über Kinder nachgedacht soll man heute auf einmal miteinander ins Kino gehen. Als wäre nix gewesen? Andererseits: Ein Leben ohne Flo gleicht für mich einem Leben auf einer anderen Erde. Als Flo durch den Regen von meiner Haustür weggeschwappt wurde, trennte sich dabei auch ein ganzer Kontinent von mir ab. Zwischen uns das ewige Meer an gescheiterten Wünschen. Ohne Brücke säuft man ab.

Man sagt ja, so eine Freundschaft haut hin, wenn einen mehr verbindet als einen trennt. Aber dazu muss ich diese Brücke erst mühselig bauen. Etappe für Etappe. Lächeln, wenn er im Facebook Fotos mit Leuten rauf lädt, die ich nicht mehr kenne. Wenn er eine neue Frisur hat und ich nicht weiß, warum. Wenn er jemanden heiraten will – aber mich nicht.

Mein Telefon vibriert. Flo schreibt eine SMS, dass er mich nicht verlieren wolle und dass wir das schon hinkriegen. Ich schreibe zurück, dass ich mich zuerst auf meinem neuen Festland umsehen müsse und dann erst Holz für die Brücke hole. Er wird nicht verstehen, was ich damit meine. Das erste Mal seit drei Jahren. Aber es fühlt sich richtig an. Vielleicht ist „Lass uns Freunde bleiben“ auch ungeschickt gesagt. „Lass uns Freunde werden“ trifft es da schon eher.

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