Scherbe, Stein, Papier…

Schere Stein Papier

In einer Serie, die ich sehr liebe, wurde mir letztens einer der schönsten Vergleiche fürs Erwachsenwerden serviert. Dort versucht die, um die es geht, nämlich ein Glas zu servieren, das ihr aber auf den Boden fällt und zersplittert. Und sie muss es selbst zusammenkehren.

Natürlich – ich muss bei Vergleichen, die mit Scherben und Gläsern arbeiten, auch immer wahnsinnig gähnen –aber nicht diesmal. Während sie zusammenkehrt, meint sie nämlich zu ihrem Besuch: „Weißt du, wenn du klein bist, und dir ein Glas hinunterfällt, schreit dein Vater sofort, du sollst doch aus dem Weg gehen, um dich ja nicht zu verletzen, während er dir die Schaufel aus der Hand reißt. Für dich deinen Scheiß aufräumt. Wenn du erwachsen wirst, musst du auf einmal selbst mit den Scherben fertig werden, die du verursachst – niemand stößt dich mehr zur Seite und schreit er mache das für dich, damit du bloß keine Wunden davon trägst.“

Löcher stopfen…

Ich weiß ja nicht wie es anderen geht, man muss sich ja immer alleine zum erwachsenen Ich durchschummeln, aber ich finde, sie hat Recht. Erwachsen werden heißt, dass du Dinge machen musst, die du früher nie machen musstest. Als Klassiker hierfür schmeiße ich Glühbirnen auswechseln, Radbirnen austauschen, Katzenklo ausmisten und sich selbst von einem Ausflug abholen in den Ring. Und eben: die eigenen Scherben angreifen, hoffentlich in dem Wissen, wo man in seiner erwachsenen Hülle Pflaster findet, wenn man sich tief am Glas oder am Leben schneidet.

Gerade letztens hatte ich so einen Moment, als ich mit meinem Fahrrad (ein Korb) für die ganze Woche einkaufen gefahren bin. Rausgekommen sind dabei drei monströse Säcke, die ich dann halb blind auf meinem Rad nachhause durch den Regen jonglieren musste, während der Schneeregenarsch mir in die Löcher meiner kaputten Jacke pfiff. So etwas hätten die mir als Kind nie angetan. Mir hätte jemand gesagt, dass ich kein 6er – Tragerl Mineralwasser kaufen soll, wenn ich nur ein Rad habe. Mir hätte jemand die Löcher in der Jacke genäht. Kein einziges Loch hätte es gegeben. Weder im Zahn noch in der Jacke und schon gar nicht im Herzen.

Heart of Glass?…

Erwachsen werden heißt also, dass sich niemand mehr als Filter vor dich hechtet, wenn Gefahr droht. Dass die Fehler, die du machst, direkte Konsequenzen für dich alleine haben und tiefe Wunden unschöne Narben an deinen Fingern hinterlassen, wenn die Scherbe zu groß war. Wenn´s blöd läuft, bekommst du sogar einen Splitter gar nie wieder raus und du musst warten, bis sich genug Hornhaut bildet um wieder wo hinfühlen zu können.

Es klingt fast vermessen, wenn wir uns daran erinnern, wie sehr wir uns beim Mutter-Vater-Kind spielen im Kindergarten gewünscht haben, selbst den Boden aufkehren zu dürfen. Ich denke, ich war nie erwachsener als mit sieben. Ich habe sogar in der Volkschule heimlich meinen Freund geheiratet, mit echten Kaugummi-Ringen, weil ich es so sehr wissen wollte. Wo ist das unbeschwerte Schere, Stein, Papier spielen aus Kindertagen hin? Müssen wir jetzt Scherbe, Stein Papier spielen?

Plötzlich ist alles aus Glas und irrsinnig zerbrechlich. Herzen, Freundschaften, Beziehungen, was eigentlich nur heißen soll, dass alles kaputt gehen kann, wenn man es nur fest genug auf den Boden prügelt. Man soll auf einmal über sich hinauswachsen, wächst aber nur in sich hinein, steht überfordert in der Ecke, kriegt den Bartwisch und die Schaufel in die Hand gedrückt und halbherzig alles Gute nachgesungen. So ist es also: Mit Freiheiten kommen auch immer Verpflichtungen. Selber kochen heißt selber abzuwaschen, und das Glas selber zusammenzukehren. Andererseits heißt es aber auch, dass das Glas, das du runterschmeißt, dir alleine gehört.

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